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Sind Massentests stets aussagekräftig?

   
 
   
 

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Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden im April 2020 zunehmend Massentests zur Feststellung von Antikörpern gefordert. Wer dann hier positiv auf Antikörper getestet würde, so die Meinung, könne mit einer gewissen Immunität rechnen.
Wie zuverlässig und wie aussagekräftig sind solche Massentest-Resultate? Erzeugen sie eventuell gar ein falsches Sicherheitsgefühl?

Eine kleine Rechnung zum Thema "bedingte Wahrscheinlichkeit" zeigt, dass bei solchen Massentests bei der Interpretation grosse Vorsicht am Platz ist.

Versetzen wir uns in den Zeitraum April 2020:
In der Schweiz (ca. 8 Mio. Einwohner) beträgt zu dieser Zeit die Ansteckungsrate ca. 3% (ca. 240'000 Personen). Was bringt nun ein Antikörpertest?

Ein guter Antikörpertest zeige eine Sensitivität und eine Spezifität von je ca. 98% (d.h. er erkenne 98% der positiven Fälle als positiv und 98% der negativen Fälle als negativ).

Wenn ich nun bei einem solchen Test ein positives Resultat erhalte: Wie sicher kann ich unter dieser Bedingung sein, dass ich tatsächlich Antikörper entwickelt habe?
Viele Laien werden spontan antworten: Natürlich zu 98%. Dies ist aber falsch! Die Aussagekraft ist viel tiefer, wie folgende Vierfelder-Rechnung zeigt.

Man verfolge diese Rechnung in der Tabelle rechts.

Angenommen, wir testen eine repräsentative Auswahl von 10'000 Personen. 3% sind infiziert, das sind ca. 300 Personen; ca. 9700 sind nicht infiziert. Von den 300 Infizierten zeigt der Test in 98% der Fälle zu Recht ein positives Resultat an, das sind 294 true-positive Fälle.
Von den 9700 nicht Infizierten zeigt der Test in 98% der Fälle zu Recht ein negatives Resultat an, in 2% der Fälle jedoch ein falsch-positives Resultat: Das sind 194 falsch positive Ergebnisse.
Total ergeben sich also 294 + 194 = 488 (richtige und falsche) positive Resultate.

Das Verhältnis "true positiv" zu "positiv" beträgt demnach 294 : 488. Das sind schlappe 60%.
Das heisst: Erhalte ich mit einem Test der angegebenen Güte ein positives Resultat, ist dies nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% ein richtig-positives Resultat.
Eine Testzuverlässigkeit von 98% ist also immer noch ziemlich problematisch; noch schlechtere Tests kann man gleich vergessen, da sinkt bei Massentests die Zuverlässigkeit locker gegen 50% - dann kann ich ebenso gut eine Münze werfen, um zu entscheiden, ob ich glauben soll, immunisierende Antikörper zu haben oder nicht.

Es müssen also nicht nur gute, sondern sehr, sehr gute Tests sein, die bei gross angelegter Anwendung zuverlässige Interpretationen ermöglichen. Bei einem Test mit Sensitivität und Spezifität von je 99% beträgt das Verhältnis true-positive zu positive ca. 75%, bei einem 99.5%-Test beträgt es bereits 86%.

 

Vierfeldertafel zur Berechnung links

 

waagrechte Zeilen: infiziert / nicht infiziert

senkrechte Spalten: Test positiv / negativ.

Die 4 fett umrandeten Felder in der Mitte zeigen die 4 möglichen Fälle:

  • infiziert / Test true-positive
  • infiziert / Test false-negative
  • nicht infiziert / Test false-positive
  • nicht infiziert / Test true-negative

Die äusseren Felder zeigen die Zeilen- und Spaltensummen.

Die Rechnung zeigt: Nur sehr, sehr gute Tests erreichen eine akzeptable Zuverlässigkeit. Bei schnell auf den Markt geworfenen unzuverlässigeren Tests kann man ebenso gut Kaffeesatz lesen.