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Ist die Antwort klar?

Frage 3

   
 
  Ich habe eine Figur und drehe sie um einen bestimmten Winkel. Können dabei Punkte der Figur verschwinden oder neu auftauchen?
 


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Wir erzeugen auf einem Kreis* eine Punktfigur auf folgende Weise: Der erste Punkt unseres Gebildes sei P0. Von dort aus tragen wir im Gegenuhrzeigersinn fortwährend einen Winkel α ab, wobei α ein irrationaler Bruchteil des Vollwinkels ist. Damit ist garantiert, dass bei fortgesetztem Abtragen von α stets neue Punkte auf dem Kreis entstehen und nie ein alter Punkt erneut getroffen wird. Es entstehen also unendlich viele Punkte auf dem Kreis. Dieser wird mit fortlaufendem Vorgang immer dichter mit Punkten besiedelt. Die entstehende Punktmenge (eine abzählbar-unendliche Teilmenge des Kreises) sei unsere Figur.

Nun drehen wir unsere fertige Punktfigur um den Kreismittelpunkt mit Drehwinkel α. Was passiert? Der Punkt P0.verschwindet (und er wird auch von "späteren" Punkten nie mehr erreicht). Sonst aber bleibt das um α gedrehte Gebilde unverändert. Was passiert bei einer Drehung mit Drehwinkeln 2α, 3α, ... ?

Wir erhalten das Resultat, dass Drehen mit Drehwinkel α den Punkt P0 wegzaubert. Umgekehrt können wir natürlich das gedrehte Punktgebilde wieder zurückdrehen, wodurch der verlorene Punkt wieder "herbeigezaubert" wird. Wir haben also ein Gebilde konstruiert, das bei einer gewissen Drehung Punkte verliert (und bei entsprechender Umkehrdrehung wieder Punkte gewinnt).

 
  pte_einhkreis  
  *) Wir können uns z.B. einen Kreis mit Umfang 1 vorstellen, also eine zu einem Kreis gebogene Einheitsstrecke.  
     
  Das beschriebene Phänomen führt zu weiteren verblüffenden Ergebnissen. Weiterführender Text:
http://dmg.tuwien.ac.at/winkler/pub/bata/index.html
 
 
 
 

Dass im Zusammenhang mit unendlichen Mengen, Folgen oder Reihen solche Erscheinungs- oder Entschwindungs-Effekte auftreten, ist vielleicht aus andern Zusammenhängen besser bekannt:
So betrachten wir z.B. die unendliche Reihe 1/2 + 1/4 + 1/8 + ....
Wir setzen x: = 1/2 + 1/4 + 1/8 + ...
Es folgt: 2x = 2/2 + 2/4 + 2/8 + ... = 1 + 1/2 + 1/4 + 1/8 + ...
Die Verdoppelungs-Operation hat somit den zusätzlichen Summanden 1 hervorgezaubert.
Wir finden: 2x = 1 + x; daraus folgt x = 1, d.h. 1/2 + 1/4 + 1/8 + ... = 1.