mathpoint.ch    
 

Kleine Kulturgeschichte der reellen Zahlen

   
 
   
 

Zum Mathpoint-Index

 

 

 

1 Griechenland um 550 v. Chr.
Ein Bruchzahlbegriff existierte nicht. Man betrachtete stets das Verhältnis zweier Strecken.
Bezug zur "Musiktheorie": das Monochord. Die musikalischen Intervalle entsprachen einfachen Saitenlängenverhältnissen.

monochord

Griechische Methode der "Wechselwegnahme" zur Bestimmung des gemeinsamen Masses zweier Strecken:

wechselwegnahme

Abb. 1: Die "Wechselwegnahme": Gegeben sind die Strecken a und b. Gesucht ist ein gemeinsames Mass.
Vorgehen: Trage b in a ab, bis es nicht mehr geht. Der Rest ist c.
Trage c in b ab, bis es nicht mehr geht. Der Rest ist d.
Trage d in c ab, usw.
Wenn kein Rest mehr entsteht, endet das Verfahren.
Beispiel oben: a = 10d und b = 7d, somit a : b = 10 : 7.
d ist der grösste gemeinsame Teiler.
Strecken, die ein gemeinsames Mass besitzen, wurden kommensurabel ("zusammen messbar") genannt.

 

2a Griechenland um 550 v. Chr.: Erschütterung des pythagoräischen Weltbilds
Entdeckung, dass es Strecken gibt, die kein gemeinsames Mass besitzen:

diagonale

Abb. 2: Bereits die alten Griechen entdeckten, dass es Strecken gibt, bei denen das Verfahren der Wechselwegnahme nie endet: Das gemeinsame Mass wird gewissermassen "pulverisiert".
Ein Beispiel: Seite und Diagonale eines Quadrates sind inkommensurabel wie der folgende Beweis zeigt.

Behauptung:
x (Abb. 2) ist keine Bruchzahl.

Beweis:
1) Es gilt x2 = 2.
2) Angenommen, x wäre eine rationale Zahl a/b (Zähler a und Nenner b sind natürliche Zahlen). Dann folgte:
    x2 = a2 / b2 = 2 und somit  a2 = 2⋅b2 .

3) Jede Zahl lässt sich eindeutig in Primfaktoren zerlegen.
    Eine Quadratzahl hat aber stets eine gerade Anzahl Primfaktoren.
    In der fett gedruckten Gleichung oben hat die linke Seite
    eine gerade Anzahl Faktoren, die rechte aber -wegen der zusätzlichen 2-
    eine ungerade Anzahl: Das kann nicht sein.
    Folglich kann x keine Bruchzahl a/b sein.

 
 
 
 
 

2b Resultat: Erschütterung des pythagoräischen Weltbilds

Seite und Diagonale in einem Quadrat sind inkommensurabel.
Im Quadrat mit Seitenlänge 1 ist die Länge der Diagonale keine Bruchzahl.

diag_seite

Abb.3: Quadrat: Fällt die Diagonale nach unten auf den Zahlenstrahl, bringt es ihr Endpunkt fertig, in eine Bruchzahl-Lücke zu fallen, dies trotz der Tatsache, dass die Brüche unendlich dicht gepackt auf dieser Zahlengeraden liegen.

 

Wir drücken heute -im Gegensatz zu den alten Griechen- die Länge der Diagonale des Einheitsquadrats mit dem Symbol √2 aus und sagen:

√2 ist keine Bruchzahl, d.h. √2 ist irrational. Das bedeutet auch, dass die Dezimaldarstellung von √2 nie abbricht und auch nie periodisch wird.

Bemerkung:

Mit dem Symbol √2 rechnen wir heute, ohne dass wir uns ständig Gedanken über den komplizierten "Unendlichkeits-Charakter" dieser irrationalen Zahl machen müssen.*) Das Symbol √2 erspart uns gewissermassen kompliziertes Denken.
Es gilt einfach: √2 • √2 = 2 oder (√2)2 = 2 oder 2 / √2 = √2.

Auch mit höheren Potenzen lässt sich rechnen:
(√2)4 =√2•√2•√2•√2 = 2•2 = 4.

---
*) Nicht nur in der Mathematik, sondern auch im Alltag gibt es viele Begriffe, die uns das Denken "ersparen" und so Freiräume für neue Gedanken eröffnen, Begriffe, die sich in Gewohnheiten umgesetzt haben. Jegliche Kommunikation wäre sonst unmöglich.

 

 
 
  3 Arabisch-babylonische Methode der Berechnung von √2






Abb.4: Aus x2 = 2 folgt: x•x = 2 oder x = 2 / x. Dies gälte exakt für den richtigen Wert von x.

Wir wählen aber einen Näherungswert x'. Dann gilt:

Ist x' zu klein, wird 2 / x' zu gross; ist x' zu gross, wird 2 / x' zu klein.

Der richtige Wert liegt zwischen x' und 2 / x'.

Wir wählen den Durchschnitt. Das ergibt einen neuen, besseren Näherungswert x'.

Dieses Verfahren spielen wir so oft durch, wie wir wollen.
 

flussdiagramm

 
 
 
 
 

4 Bis 1878

Fast 2000 Jahre lang begnügte man sich damit, mit irrationalen Grössen in Annäherungen zu rechnen, ohne sich grosse Gedanken darüber zu machen, wie diese seltsamen "Unendlichkeiten" ins Gebäude der Mathematik eingebaut werden könnten.

5 René Descartes verbindet Geometrie und Algebra

Durch René Descartes' vermittelnde Idee der Koordinaten verband sich anschauliche Geometrie mit Zahlarithmetik und Algebra. Diese Synthese zweier völlig verschiedener Konzepte erwies sich als äusserst fruchtbar und erfolgreich.

Dass diese kartesianische Konzeptüberblendung*) gleichzeitig aber auch Grundlagenprobleme birgt, die bis heute nicht abschliessend ausdiskutiert sind, zeigte sich erst später. (Man vermischt offenbar nicht ungestraft zwei derart unterschiedliche Konzepte.) Es geht um die Frage, wie man das in der Geometrie so offenbare "Kontinuierliche" (z.B. einer Linie) zahlentheoretisch fassen kann (und darum, ob man es überhaupt kann).

*) Konzeptüberblendungen vollziehen wir auch im Alltagsdenken. Sie zeigen sich in gewissen Wortzusammensetzungen: Zeitraum, Trauerarbeit, Gefühlshaushalt:
Zeit wird verräumlicht, Trauer und Gefühle werden mit Konzepten von Arbeit und Ökonomie verknüpft.
Auch hier muss man kritisch abwägen: Inwieweit eröffnen solche Metaphern neue, überraschende Horizonte? Wann werden sie fragwürdig, verfälschen oder manipulieren einen Sachverhalt?

 

6a 1878: Georg Cantor entdeckt: unendlich ist nicht gleich unendlich
Erste Erkenntnis: Die Menge der Bruchzahlen lässt sich "aufreihen":

bruchpyramide

Abb.5: Werden die Brüche in obiger Pyramide in Leserichtung (d.h. von links nach rechts und von oben nach unten) gelesen, entsteht eine "Aufzählung": Die Menge der Brüche ist "abzählbar unendlich".
Platznummerformel n(a,b) für den Bruch a/b in obiger Pyramide:

n(a,b) = [(a + b - 1)(a + b - 2)] / 2   +  a .

So steht der Bruch 577 / 408 auf Rang 484'213.
Welche Bruchzahl steht auf Rang 100?

 
 
 
 
 

6b Zweite Erkenntnis: Die reellen Zahlen entziehen sich einer Aufreihung; sie lassen sich nicht in eine vollständige Abfolge zwingen (Cantors berühmter Diagonalbeweis):

Bereits die Dezimalzahlen der Form 0.***... lassen dies nicht zu.
Gäbe es nämlich eine Aufzählung aller "Null-Komma-Zahlen", sähe das etwa so aus:

0.* * * * * * ...
0.* * * * * * ...
0.* * * * * * ...
0.* * * * * * ...
0.* * * * * * ...
0.* * * * * * ...
.................

Wir betrachten die Dezimalstellen auf der Diagonale, welche durch * (grüner Stern) oder * (roter Stern) symbolisiert sind. Dabei stehe an der Stelle, die mit einem grünen Stern markiert ist, irgendeine gerade und an einer mit rotem Stern markierten Stelle irgendeine ungerade Ziffer.

Wir zeigen: Obige Aufzählung hat Zahlen "vergessen", d.h. ist unvollständig.
Wir betrachten die Dezimalzahl, die aus den Diagonalziffern besteht. Sie lautet:

 

0.* * * * * * . . .

Diese Zahl ändern wir nun ab: Jede grüne Ziffer ersetzen wir durch eine beliebige rote Ziffer und jede rote Ziffer ersetzen wir durch eine grüne Ziffer. Die neue, "umgepolte" Zahl sieht dann so aus:

0.* * * * * * . . .

Aber alle Zahlen mit diesem Muster passen nicht in unsere Aufzählung;
Wir haben sie "vergessen": Man prüfe dies nach:
Sie passen nicht in die 1. Zeile, da die erste Ziffer die falsche Farbe hat.
Sie passen nicht in die 2. Zeile, da die zweite Ziffer die falsche Farbe hat.
So geht dies Zeile für Zeile weiter. Die umgefärbte Zahl passt in keine Zeile; sie kommt in unserer Aufzählung nicht vor.

Resultat: Jede Aufzählung, die wir versuchen, ist unvollständig. Die gesamte Menge der Dezimalzahlen entzieht sich jedem Aufreihungs-Versuch; sie ist überabzählbar-unendlich.


Fazit:
Die reellen Zahlen bilden eine "stärkere" Art von Unendlichkeit als die Bruchzahlen oder die natürlichen Zahlen. Es ist eine Unendlichkeit höherer Stufe, die sich allen Aufreihungsversuchen entzieht.

Zum Nachdenken:
Warum funktioniert das Cantorsche Diagonalargument nicht bei einer vollständigen Liste lediglich rationaler Zahlen? - Jemand könnte ja sagen: Ich erstelle eine vollständige Aufzählung der rationalen Zahlen 0 ≤ q < 1 in Dezimalschreibweise und betrachte wieder die Diagonalzahl, die ich wie im Argument oben abändere. Diese abgeänderte Diagonalzahl lag nicht in meiner Liste, folglich war die Liste unvollständig. - Wo liegt hier der Denkfehler?

 
 
 
 
 

7 Antike bis Neuzeit: Das Problem des "Kontinuums"


Mit der Descarteschen Wende um 1637 wurden geometrische Probleme arithmetisiert: Man führte eine Einheitsstrecke ein, eine Koordinateneinheit, an der alle andern Strecken gemessen wurden. Jede Strecke sollte auf diese Weise eine Masszahl erhalten.

Nun wurden Berechnungen in der Naturwissenschaft erst richtig möglich. Man beschrieb jetzt z.B. auch Bewegungsvorgänge.


Die Vorstellung, dass ein Punkt auf einer Linie "wandere", führte dazu, sich diese Linie als ein "Kontinuum" vorzustellen. Man braucht ja nur selber eine Linie zu zeichnen, und die Vorstellung einer "Kontinuität" wird sich einstellen.

Bereits die alten Griechen hatten über ein solches Kontinuum nachgedacht. Dass eine Linie nicht aus Punkten "zusammengesetzt" sein kann, hatte schon Aristoteles bemerkt. Denn Punkte können gar nicht "aneinanderstossen", "sich berühren", sie haben ja keine Ausdehnung, können somit nur zusammenfallen oder verschieden sein, dann liegt aber ein ganzes Streckenstück dazwischen.

Noch 1882 musste der Mathematiker Du Bois-Reymond erklären:

"Ein allmähliges Zusammenfallen zweier Punkte (...) ist vollends Unsinn. Die Punkte sind entweder durch eine Strecke getrennt, oder es ist nur ein Punkt da, ein Mittelding gibt es nicht. (...) Ich verwerfe also die Erweiterung des Grössenbegriffs, nach welcher die Linie aus Punkten, die Fläche aus Linien usw. zusammengesetzt sein soll."


Trotzdem wurden die reellen Zahlen immer wieder als "Kontinuum" bezeichnet.
Die intuitive Vorstellung einer kontinuierlichen Verschiebung lässt sich aber durch die reelle Zahlenachse nicht verwirklichen (Zahlen sind "digital").


Die Idee des "Kontinuums" hängt vermutlich eng mit unserem menschlichen Dasein zusammen: konstantes, selbstbewusstes Ich in einer Art Lebensstrom.
Die von uns erlebten "Übergänge" sind jedoch völlig verschieden von den mathematisch durch die reellen Zahlen modellierten:
Wir "überblenden" gewissermassen unsere Vergangenheit in die Zukunft hinein (Erinnerungen und Erwartungen überlagern sich dauernd).
Dass ein mathematisches Zahlenmodell solche "Lebenskontinuität" nachbilden könnte, wäre dann doch eine massiv übersteigerte Erwartung.


Trotzdem wirkte die informelle Vorstellung eines "kontinuierlichen Stromes" als leitende Intuition, z.B. bei Richard Dedekinds exakter Konstruktion der reellen Zahlen (1872).

Man könnte sagen: Auf dem Nährboden nicht-formalisierbarer Intuitionen erwachsen formale Konzepte, welche zwar noch gewisse Züge der Intuitionen erkennen lassen, jedoch etwas völlig Neues darstellen. Einem "intelligenten Computer" ist dieser Weg der Erzeugung neuer formaler Konzepte aus nicht-formalen Intuitionen natürlich verbaut, da er in seiner "Biografie" eben nichts Unformalisierbares vorweisen kann.

 

8 Dedekinds exakte Konstruktion der reellen Zahlen
Dedekinds Konstruktion ist die erste exakte Fundierung der reellen Zahlen (im gleichen Jahr gelang auch Georg Cantor eine etwas andere Konstruktion). Die Konstruktion sei nur knapp skizziert:

Betrachtet wird die bisher bekannte Menge Q der rationalen Zahlen (Bruchzahlen). Die Brüche liegen "sehr dicht" nebeneinander, d.h. zwischen zwei noch so nahe nebeneinander liegenden Brüchen existieren noch unendlich viele weitere - und zwischen diesen wiederum unendlich viele... Trotzdem existieren noch Lücken (die heruntergeklappte Diagonale des Einheitsquadrats stellt mit ihrem Endpunkt eine solche Lücke dar).

Dedekind unterteilt nun die Menge Q durch einen "Schnitt" in zwei Teilmengen L und R (L für "links" und R für "rechts"). Falls der Schnitt eine Bruchzahl trifft, wird diese der linken Menge L zugeschlagen. Der Schnitt kann aber auch durch eine Lücke gehen.
dedekind1
Abb. 7: Dedekindscher Schnitt S in der Menge der Bruchzahlen

Das Mengenpaar (L; R) nennt Dedekind einen "Schnitt", in Zeichen: S oder S(L; R).
Man beachte, dass nur mit "bisher bekanntem Material" gearbeitet wurde, nämlich nur mit Mengen von Bruchzahlen. Nun definiert Dedekind, wann ein Schnitt S2 "kleiner" sei als ein Schnitt S1:


dedekind2
Der Schnitt S2 sei kleiner als der Schnitt S1 wenn L2 echte Teilmenge von L1 ist.

Als nächstes definiert Dedekind, wie Schnitte addiert werden können: Die Summe S3 von S1 und S2 ist der Schnitt S3 mit der linken Menge L3 und der rechten Menge R3 , wobei L3 aus allen möglichen Summen der Elemente von L1 mit Elementen von L2 besteht und R3 aus allen möglichen Summen der Elemente von R1 mit Elementen von R2. Analog wird die Multiplikation zweier Schnitte definiert.

Da man nun mit diesen Schnitten rechnen kann wie mit Zahlen (addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren), steht der Vorstellung nichts mehr im Wege, diese Schnitte auch wirklich Zahlen zu nennen: Es sind die neuen "reellen Zahlen". *)
Diese sind nun aus rein "bisherigem mathematischem Material" solide konstruiert worden.

Was passiert, wenn man zwischen die reellen Zahlen erneut Schnitte einfügt? Entstehen dann nochmals neue Zahlen? Die Antwort ist: nein. Denn jeder Schnitt zwischen reellen Zahlen ist ja auch ein Schnitt zwischen den alten, rationalen Zahlen; diese Schnitte sind aber bereits als reelle Zahlen erfasst worden. Die Dedekindschen Schnitte leisten also "ganze Arbeit": Jeder Schnitt zwischen reellen Zahlen "trifft" eine reelle Zahl: Die Lücken sind alle verschwunden!

Das ist ein ziemlich seltsames Resultat:
Wir haben eine Menge von Zahlen ohne Schnittlücken. Und trotzdem können wir uns keinen kontinuierlichen Übergang von Zahl zu Zahl vorstellen.

*) Das ist etwas salopp gesagt. Dedekind war nicht der Auffassung, die Schnitte seien die reellen Zahlen. Die reellen Zahlen sind für ihn etwas kreativ Neues. Zahl und Schnitt korrespondieren lediglich. Dedekind war jedoch kein Platoniker; die "Intuition Zahl" existierte für ihn nicht in einer platonischen Ideenwelt. Was "zählt", ist das formal geschaffene Werkzeug der Dedekind-Schnitte, mit denen man nach bestimmten Regeln rechnen kann: Der Gebrauch ist wichtig.

 
 
 
 
 

9 Schlussbetrachtung

Wir sehen, dass bei der Genese formaler Konzepte entscheidende Leitideen und Intuitionen sich aus vagen, nicht-formalen "Bildern" motivieren.
Der Mathematiker Henri Poincaré beschreibt etwa, wie sich ihm ein schwieriges Problem, an dem er wochenlang herumstudiert hatte, eines nachts und nach dem Konsum einiger Tassen starken Kaffees, in einem leicht überreizten Zustand, plötzlich aufzulösen begann.
Es sind diese kreativen Ideen, die vagen Bilder, manchmal eben sogar überreizte Zustände, die schliesslich einen möglichen Lösungsweg weisen.

Die Menschheit hat im Laufe der Geschichte aus einfachem Material immer kompliziertere Werkzeuge und Verfahren kreiert. Diese bildeten dann die Grundlage für noch kompliziertere Konstruktionen. Gleichzeitig hat jedes neue Konstrukt das Denken, die Sprache, die Vorstellungen und Intuitionen und damit auch die Wahrnehmung verändert (jedes neue Konstrukt ist gewissermassen auch ein neues Organ der Wahrnehmung); neue Gedanken, neue metaphorische Bilder, neue Redewendungen und auch neue Selbstverständlichkeiten entstanden - Basis für neue Intuitionen und neue Konstrukte.

Die Einfälle ergaben sich oft aus vagen Bildern. Die genaue Ausarbeitung und formale Verwirklichung geschah dann jedoch im strengen Ablauf der Fachgesetze.

Die Geschichte der reellen Zahlen illustriert diese "Evolution von Konzepten".

 

"Sokratischer" Dialog zu Cantors Verfahren hier.

10 Ganz zum Schluss: axiomatische Einführung der reellen Zahlen

Die reellen Zahlen können auch durch Axiome eingeführt werden:

Axiomengruppe 1: Körperaxiome (salopp: Es gelten die bereits von den rationalen Zahlen her bekannten Rechenregeln und Gesetze.)

Axiomengruppe 2: Es liegt eine totale Ordnung < vor (salopp: Es liegt eine Ordnung "<", vor, die wie bei den rationalen Zahlen der "kleiner"-Relation entspricht.

Axiomengruppe 3: Vollständigkeitsaxiom: Jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge hat ein Supremum, d.h. eine kleinste obere Schranke.

Die Dedekind-Schnitte liefern dann ein Modell für dieses Axiomensystem.

 
 
 
 
 

Anhang: Das "zerstiebende -und deshalb nicht existierende- gemeinsame Mass" von Seite und Diagonale im Quadrat

Wäre ein gemeinsames Mass zwischen d und s vorhanden, müsste es auch in d - s, d.h. in der roten Strecke liegen, ebenso aber auch in
s - rot = Diagonale des zweitgrössten Quadrats im Bild rechts und deshalb dann auch in der grünen Strecke, usw. Ich kann aber die Quadratserie rechts immer weiter führen - es entstehen immer kleinere Quadrate, und das gemeinsame Mass steckt stets in den Seiten und Diagonalen dieser zunehmend verschwindenden Quadrate: Es zerstiebt geradezu - oder anders gesagt: Es existiert gar nicht.

  wurzelzwei