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Als "reine Stimmung" bezeichnete man eine Stimmung, die auf "reinen Quinten" (3:2) und "reinen Terzen" (5:4) aufbaute. Das Gitter dieser Stimmung ist dreidimensional: x-Richtung: Oktaven (⋅ 2 ), y-Richtung: Quinten (⋅3/2), z-Richtung: Terzen (⋅ 5/4).
In der Darstellung unten ist die Oktavebene "ignoriert", d.h. man denkt sich die Töne automatisch in eine einzige "Grundoktave" hinein re-oktaviert. Wir erhalten dann eine zweidimensionale Darstellung: horizontal: y-Achse, Quinten; vertikal: z-Achse, Terzen.
Wir erhalten die Projektion des dreidimensionalen Gitters auf eine einzige Grundoktave. Es entsteht die Eulerebene der reinen Stimmung.

PK: Pythagoräisches Komma (12 Quinten minus 7 Oktaven)
SK: Syntonisches Komma (4 Quinten minus 1 Terz minus 2 Oktaven)

Notennamen mit 1 Tiefstrich links: Der Ton ist um 1 syntonisches Komma tiefer als der Ton ohne Strich.
Notennamen mit 2 Tiefstrichen links: Der Ton ist um 2 syntonische Kommata tiefer als der ungestrichene Ton.
Notennamen mit Hochstrichen links: Erhöhung um 1 syntonisches Komma pro Strich.

 

In der Eulerebene sind unendlich viele Töne vorhanden, von denen einige zum Teil fast gleich sind - aber eben nur beinahe. Aus diesen Tönen ist nun eine Tonleiter-Auswahl zu treffen. Im Bild unten sind Töne der C-Dur- und der c-moll-Tonleiter ausgewählt.

C-Dur-Tonleiter: c   d   ,e   f   g   ,a   ,h   c'
c-moll-Tonleiter: c   d   'es   f   g   'as   'b   c'

Folgende Dreiklänge sind dann "rein" (Quinten 3:2 und Terzen 5:4):
c - ,e - g: C-Dur-Dreiklang Tonika
c - 'es - g: c-Moll-Dreiklang Tonika
f - ,a - c': C-Dur-Dreiklang Subdominante
f - 'as - c': c-Moll-Dreiklang Subdominante
g - ,h - d: C-Dur-Dreiklang Dominante
g - 'b - d': c-Moll-Dreiklang Dominante
,a - c - ,e
,e - g - ,h
'as - c - 'es
'es - g - 'b

Blaue Punkte in der Eulerebene unten links: Linearkombinationen des Pythagoräischen und des Syntonischen Kommas. Die nächsten um (0 | 0) herumliegenden blauen Punkte sind wieder "Kommatas", d.h. haben einen Verhältniswert von annähernd 1.

 
  eulerebene  

Die Auswahl von Tonleitertönen aus der Fülle des Gesamtvorrates an Gittertönen ist keineswegs eindeutig bestimmt. Es entsteht eine Fülle von Intervallen.

 

Auch wurden die Kommatas im Laufe der Musikgeschichte auf verschiedene Arten "verteilt". So entstanden verschiedene Stimmungen (mitteltönige Stimmung, Werckmeister-Stimmung, usw.).

 

Die reine Stimmung hat im Chorgesang und in der Kammermusik immer noch eine gewisse Bedeutung. Reine Intervalle haben viele gemeinsame Obertöne, was sich auf den Klang auswirkt. Somit wirkt die Stimmung nicht nur auf die Intervallschritte ein, sondern hat auch Einfluss auf den Klang von Akkorden.

 
 
 
 
 

Rechts: Eine Auswahl von 12 Tonleitertönen für eine chromatische Tonleiter in reiner Stimmung. Die Töne sind wieder in eine einzige Oktave zu re-oktavieren.

Auf fest gestimmten Tasteninstrumenten sind in dieser Stimmung C-Dur, c-moll, As-Dur und e-moll spielbar. Hier bilden die Dreiklänge der Hauptstufen reine Quinten und reine Terzen. Diese Dreiklänge bilden im Eulergitter rechts kleine Dreiecke, im Bild grün (Dur) und rotbraun (Moll) dargestellt.

Tonart Tonikadreiklang Subdominante Dominante
C-Dur c-e-g f-a-c g-h-d
c-moll c-es-g f-as-c g-b-d
As-Dur as-c-es des-f-as es-g-b
e-moll e-g-h a-c-e h-d-fis  *)Molldominante
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Exkurs: Auswahl von Tönen im Gitter

Siehe auch: T.Baumeister, J.-H.Eschenburg: Kommata und Tonsysteme

Die Auswahl von Tönen, die zu einer Tonleiter zugelassen werden, ist nicht eindeutig vorgegeben, sondern wird von zusätzlichen Überlegungen bestimmt. So geschah die Auswahl oben im Bestreben, für C-Dur und noch möglichst viele weitere Tonarten reine Hauptdreiklänge zu ermöglichen (dies war neben C-Dur noch möglich für c-moll, As-Dur und e-moll).

Rechts ist eine andere Auswahl von 12 Tönen getroffen. Diese liegen in einem Parallelogramm, dessen Ecken benachbarte Komma-Punkte sind. Die blauen Komma-Punkte entstanden durch Linearkombination des Pythagoräischen (12 | 0) und des Syntonischen (4 | -1) Kommas. Jedes solche Elementarparallelogramm hat die Fläche 12. Deshalb lassen sich auch 12 Tonleitertöne finden: Wir zählen die Gitterpunkte, die auf dem Rand und im Innern eines solchen Parallelogramms liegen:

-Die Randgitterpunkte zählen wir nur einmal (am gegenüber liegenden Rand ist der Ton um ein Komma verschoben und wird nicht mehr in die Tonleiter aufgenommen). Wir haben also die Anzahl Randpunkte zu halbieren. Beispiel: 6 : 2 = 3.

-Der zweite Eckpunkt neben c (in unserem Beispiel (4 | 2) ) wird nicht mehr aufgenommen; wir haben noch 1 zu subtrahieren. (Die Eckpunkte (4|-1) und (8|1) wurden bereits in Schritt 1 ausgeschaltet.) Beispiel: 3 - 1 = 2. Das ergibt in unserem Beispiel die beiden Töne c und ,fis.

-Nun sind noch alle Innengitterpunkte zu addieren: 2 + 10 = 12.

Wir haben also die Formel: Anzahl Tonleitertöne = r/2 + i - 1.
Dabei ist r = Anzahl Randpunkte, i = Anzahl Innenpunkte.

Dies ist aber genau die Formel von Pick für die Fläche eines Gitterpolygons ohne Löcher:
A = r/2 + i - 1.

Wir finden: Die Anzahl Tonleitertöne ist gleich der Fläche eines Elementarparallelogramms, dessen Ecken durch Kommatas gebildet werden (und auf dessen Rand und in dessen Inneren keine weiteren Kommapunkte mehr liegen).

 

eulerebene3

Eine musikalische Illustration zum Satz von Pick: A = r/2 + i - 1. A ist die Fläche des Elementarparallelogramms und zugleich die Anzahl Tonleitertöne (orange markiert).

Für die musikalische Praxis ist diese Auswahl nicht relevant (es entstehen zu wenig reine Dreiklänge); interessant ist hier lediglich, dass der Satz von Pick eine musikalische Illustration besitzt.

Im Artikel von Baumeister/Eschenburg wird ein Parallelogramm der Fläche 19 betrachtet (dazu ist ein weiteres Komma (-5 | 6) einzuführen). Man erhält eine 19-teilige Oktave.